Gut, wer bin ich? Und das ist eben der Weg des Jnana Yoga. Wir beobachten all das und wir lösen uns davon. Und dann schauen wir: „Wer bin ich?“ Und das führt dann zu der spirituellen Erfahrung von sich selbst als Bewusstsein, unabhängig von Körper, Emotionen, Gedanken, Gefühlen usw. Bis zu einem gewissen Grad ist der Jnana Yoga Weg auch ein toller Yogaweg. Wir können nämlich die höchste Wirklichkeit erfahren, ohne dass wir unseren Geist beherrschen müssten. Wir können die höchste Wirklichkeit erfahren, ohne all unsere neurotischen Tendenzen zu überwinden. Man kann sogar nach ICD10 oder DSM5 oder so ähnlich, das sind die International Classification of Diseases, da gibt es irgendeinen Absatz, den habe ich jetzt vergessen. Ich habe mal mit jemandem zusammengelebt, die hat für die Heilpraktiker-Psychotherapie–Prüfung gelernt und wollte, dass ich sie dann abhöre. So habe ich dann alle klassifizierbaren psychischen Störungen gelernt, wobei da immer irgendwo die Psychologen selbst sagen, eigentlich ist es unsinnig, diese Etiketten zu geben. Man macht es nur, dass man nachher krankenkassenmäßig abrechnen kann. Mensch ist Mensch und die Psyche ist nicht so einfach klassifizierbar in Störungen. Nichtsdestotrotz, wir können die verschiedenen Störungen sogar behalten und trotzdem die höhere Wirklichkeit erfahren. Also, ein kleiner Trost für all diejenigen, die seit Jahren versuchen, ihren Geist zu beherrschen, all ihre psychischen Störungen loszuwerden, wenn wir dann erfahren haben, wer wir wirklich sind, dann ist das, was als psychische Störung bezeichnet wird, nicht mehr psychische Störung. Wir werden nicht mehr davon beherrscht, sondern wir erfahren, wer wir wirklich sind und leben das andere dann heiter. Und weil wir uns verbunden fühlen mit anderen, eben auch mitfühlend und nicht mehr destruktiv. So wird oft gesagt, Jnana Yoga ist ein direkter Weg. Natürlich, die meisten von euch waren schon öfters hier, ihr wisst, wir sind hier Befürworter des ganzheitlichen Yogawegs und da gehört auch mit dazu, dass man lernt, auch mit sich selbst geschickt umzugehen, der ganze Yogaweg. Aber zunächst mal, wenn wir überlegen, wie erfahren wir eine höhere Wirklichkeit, der Jnana Yogaweg heißt, wir lernen, uns zu lösen von dem anderen, wir lernen, uns nicht zu identifizieren, wir lernen auch, hinter dem Universum der Namen und Formen die höhere Wirklichkeit wahrzunehmen. Also die mikrokosmische Betrachtungsweise, wir beobachten: „Was ist in uns?“ Wir fragen uns: „Wer bin ich?“ Wir identifizieren uns nicht damit. Und dann leuchtet der Kern auf, der wir eigentlich sind und der wird auch bezeichnet als Satchidananda. Denn alles Begrenzte ist beobachtbar. Wenn irgendetwas Raum hat, dann können wir es beobachten, dann können wir sagen, das beginnt dort und es endet dort. Also können wir nicht begrenzt sein, denn wir können alles Begrenzte beobachten. Und dann gibt es „Ich“, der beobachtet das Begrenzte. Damit bin ich unbegrenzt, das ist Sat. Sat heißt unendliches Sein, unbegrenzt. Als solches können wir es erfahren. Chid heißt Bewusstsein. Eines wissen wir, wir sind Bewusstsein. Descartes hat mal gesagt: „Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich.“ Das wird oft missverstanden, dass Menschen denken, Descartes hat gedacht: „Ich bin die Gedanken.“ Das stimmt nicht. Descartes, eigenartigerweise als der Begründer des philosophischen Materialismus, eigentlich ist sein entscheidendes Werk „Meditationes“, ist eine Jnana Yoga Schrift. Dort analysiert er nämlich: Wovon können wir ausgehen, was wissen wir in dieser Welt? Und wir wissen in dieser Welt eigentlich nichts, denn die ganze Welt kann eine Illusion sein. Woher wissen wir, dass hier eine Uhr ist? Wir sehen sie. Aber Sehen kann einen täuschen. Es gibt die optische Täuschung. Wir könnten auch träumen. Wir könnten träumen, dass wir hier sitzen in einem Sahasrara Raum und dort ein spirituelles Retreat haben. Vielleicht gibt es gar keinen Sahasrara Raum. Vielleicht gibt es gar kein Bad Meinberg. Vielleicht gibt es gar keine Erde. Wir wissen es nicht, ob es die Erde gibt, wir wissen nicht, ob es Bad Meinberg gibt, wir wissen nicht, ob es eine Uhr gibt, denn all das wissen wir nur über unser Denken. Und wir wissen, dass wir jede Nacht einschlafen und die Traumwelt, aus der wachen wir auf. Die Traumwelt kann ähnlich sein wie die physische Welt und meistens ist sie es ja auch, aber sie muss es nicht sein, die Traumwelt kann auch ganz anders sein.
– Fortsetzung folgt –
Dies ist die 4. Folge der unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines spirituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für die Erläuterung der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterf´ührende Links:
- Seminare mit Sukadev
- Seminare zum Thema Raja Yoga und Positives Denken
- Spirituelle Retreats