Wenn ihr irgendein Team leitet und Mitarbeiter habt oder wenn ihr Steuerprüfer seid oder wenn ihr Polizist von Beruf seid, ist es nicht nur hilfreich, nur Gutes in allem zu sehen, oder wenn ihr Richter seid. Aber trotzdem, selbst wenn man seiner Aufgabe gerecht wird, kann man doch wissen: „Tief im Inneren meint es jeder Mensch gut, auch wenn es jetzt komisch zum Ausdruck kommt, auch wenn ich jetzt irgendetwas tun muss, um meiner Verantwortung gerecht zu werden. Ich erkenne an, tief im Inneren meint der Mensch es gut.“ Irgendwann mal, das ist schon bald fünfzehn Jahre her, habe ich mal eine Yogalehrerausbildung gegeben und ich war so einer der ersten im Westerwald. Und dort ist ja Anwesenheitspflicht bei der Ausbildung. Das war auch so ein Wetter wie jetzt, es war auch gerade Frühjahr. Und da gab es eine Teilnehmerin und die hat gesagt: „Warum soll ich um 06:00 Uhr morgens im Raum sein? Ich gehe viel lieber spazieren, da erfahre ich Gott vielmehr.“ Da habe ich zu ihr gesagt: „Das kann ich gut nachvollziehen. Und du kannst das gerne machen. Du kannst ja in die Ferienwoche umwechseln. Ich bin dir nicht böse. Aber wenn du jetzt Yogalehrerin werden willst, dann gibt es Anwesenheitspflicht dafür. Und da kannst du dich jetzt entscheiden.“ Die war mir trotzdem böse. Sie wollte, dass ich ihr genehmige, jeden Morgen spazieren zu gehen, und ein Yogalehrerausbildungszertifikat bekommen. Ich konnte auch verstehen, dass sie mir böse war. Von ihrem Standpunkt aus war das verständlich. Trotzdem musste ich ihr das so sagen. Auch ein anderes Mal ist mir etwas passiert. Irgendwo bin ich am freien Abend während der Yogalehrerausbildung in eine Pizzeria gegangen, um eine Pizza zu essen. Und ich gehe dort rein, sehe am Tresen jemanden sitzen, Zigarette rauchend, ein Teilnehmer von der Yogalehrerausbildung. Mein schöner freier Abend war damit zu Ende. Ich wusste, er hatte sich sehr bemüht, aber es ist ihm nicht gelungen. Ich musste ihn von der Ausbildung suspendieren. Gerade bei der Vierwochenausbildung muss man sich daran halten, bei einer Zweijahresausbildung sind wir jetzt nicht ganz so streng, da gehen wir davon aus, in zwei Jahren lernt der das schon, aber in der Vierwochenausbildung ist das so. Ich habe dann noch länger mit ihm gesprochen, habe irgendwie ausgemacht, er kann dann das nachholen, auch irgendwo umsonst. Da hat er gesagt: „Ich habe mich ja so bemüht und das ist jetzt das erste Mal. Und ansonsten habe ich früher immer vierzig Zigaretten am Tag geraucht und jetzt zwei Wochen…“ Wobei ich natürlich nicht weiß, ob er mich jetzt angelogen hat, das kann ja auch sein. Vermutlich war es nicht das erste Mal, aber ich glaube ihm, dass es vielleicht nur eine oder zwei am Tag waren. Aber ich habe dann ausgemacht, er kann nochmal kommen und ich würde ihm vorschlagen, dass er nicht allein den Ashram verlässt, sondern nur in Begleitung von jemand anderes. Beim zweiten Anlauf hat es dann auch geklappt und dann sagte er, er war mir dann sehr dankbar, dass ich ihn gesehen habe und dass ich mich entschieden habe, es auch zu sehen und anzusprechen, so ist er nämlich vom Rauchen dann beim zweiten Anlauf losgekommen. Aber erst mal war er mir auch böse und hat auch argumentiert, er hätte doch bezahlt.
Also, mögen wir das sehen, was gut ist. Das heißt, wir können das Gute im Menschen sehen, aber trotzdem müssen wir das tun, was zu tun ist.
Fortsetzung folgt –
Dies ist die 30. Folge der unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines spirituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für die Erläuterung der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterf´ührende Links:
- Seminare mit Sukadev
- Seminare zum Thema Raja Yoga und Positives Denken
- Spirituelle Retreats