„Kann man, wenn man Samadhi erreicht hat, selbst bestimmen, wann man stirbt?“
Theoretisch ja, aber warum sollte man das tun? Wenn man Samadhi erreicht hat – man hat nichts anderes zu erreichen, da will man weder tot sein noch nicht tot sein, man will einfach sein Dharma erfüllen, die Aufgaben. Und da gibt es jetzt nicht mehr die Frage: „Wann soll ich jetzt sterben? Ich überlege mal. Ist 2013 ein schönes Jahr oder 2026, der 14. Juli klingt ganz vernünftig. Da hat Swami Sivananda Maha Samadhi gehabt, das mache ich auch.“ Das sind so Vorstellungen, die wir haben, wenn wir nicht die Selbstverwirklichung erreicht haben. Wenn wir die Selbstverwirklichung erreicht haben, ist eigentlich ziemlich unerheblich, wann wir sterben oder nicht sterben. Da wollen wir unsere Aufgabe erfüllen. Und die erfüllen wir dann halt und wenn die erfüllt ist, dann stirbt der Körper ab. Wir sind ja eins mit dem Unendlichen und dem Ewigen und dem Absoluten und wir wissen: „Diese Welt ist Lila, göttliches Spiel.“ Es ist jetzt nicht erheblich, ob wir dort rauskommen oder drinbleiben, also machen wir jetzt so lange weiter wie Gott mit diesem Körper sein Spiel fortsetzen will. Ich habe ja schon verwirklicht, „Aham Brahmasmi“, also für einen Menschen, der Nirvikalpa Samadhi erreicht hat, spielt es keine allzu große Rolle mehr. Das heißt, er könnte es theoretisch, aber warum sollte er das bestimmen?
Die erste Frage ist schwierig. Ich fange mit der zweiten an.
„Warum hat Jesus die Bedeutung der Vergebung so stark betont? Bedeutet Vergebung Befreiung?“
Das Interessante ist, wenn ihr die Bibel tatsächlich lest, das Neue Testament, so häufig steht dort gar nicht „Schuld und Vergebung“. Es werden aber die Teile des Neuen Testamentes besonders häufig in Gottesdiensten behandelt, wo es um Schuld und Vergebung geht. Irgendwo habe ich mal so einen buddhistischen Meister sagen hören, die Christen sind irgendwie fasziniert von der Vorstellung von Schuld und deshalb brauchen sie die Vergebung. Im Buddhismus gehen wir eher davon aus, dass es keine Schuld gibt. Man schafft höchstens negatives Karma und dann wird man die Konsequenzen tragen. Dennoch, man kann sagen, Vergebung, im Sinne von… Wenn man dieses Weltbild hat, dass man sich schuldig macht, dann braucht man auch Vergebung. Wenn man das Weltbild nicht hat, dass man sich schuldig macht, dann braucht es auch die Vergebung nicht. Und so könnt ihr selbst überlegen, seid ihr in einem Weltbild aufgewachsen, wo ihr entweder euch selbst schuldig fühlt. Also, wer in einem Weltbild aufgewachsen ist, wo Schuld wichtig ist, wo man entweder immer das Gefühl hat, „ich mache mich selbst schuldig“ oder wo man das Gefühl hat, dass andere sich an einem selbst schuldig gemacht haben, dann ist Vergebung wichtig. Dann bitten wir um Vergebung für unsere eigene Schuld und wir wollen anderen vergeben. Ich muss da zugeben, obgleich ich christlich aufgewachsen bin, bin ich nicht aufgewachsen so sehr mit der Vorstellung von Schuld und deshalb ist die Vergebung nicht allzu sehr wichtig. Ich hatte vielleicht auch das Glück, dass ich in meiner Kindheit niemanden hatte, der mir wirklich Schlimmes angetan hat. Ich hatte eine behütete Kindheit. Gut, ich habe zwei Brüder und wir haben uns auch gefetzt, aber es ist nichts Schlimmes dabei passiert und so war nicht die Frage, dass ich irgendwo mit posttraumatischem Belastungssyndrom aufgewachsen bin, weil mir Schlimmes angetan wurde. So hatte ich nie das Gefühl, ich muss jemandem vergeben. Ich habe nicht das Gefühl, dass mir irgendjemand irgendwas angetan hätte, das ich ihm vergeben müsste. Bis heute, mir würde niemand einfallen, dem ich vergeben müsste. Umgekehrt habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich mich gegenüber irgendjemandem schuldig gemacht hätte, obgleich ich meinen hohen Ansprüchen selten gerecht werde. Aber ist es deshalb Schuld? Das ist ein anderer Weltanschauungskomplex. Ich kann Fehler machen und die Fehler können auch irgendwo etwas bewirkt haben in einem anderen Menschen, das nicht schön ist, aber ich gehe dann davon aus, es war auch in seinem Karma drin. Ich kann anderen nichts zufügen, was nicht auch in ihrem Karma drin ist. Und so lange ich selbst nach bestem Wissen und Gewissen handle, selbst wenn nachher dabei herauskommt, das war nicht das Richtige von einem objektiven Standpunkt aus, so lange habe ich nichts Schlechtes getan. Und wir können auch sogar davon ausgehen, auch unsere eigenen Wünsche und auch unsere eigenen Kurzschlusshandlungen, die es ja auch geben kann, auch die haben irgendwo einen Sinn und sind göttlich geführt. Und deshalb stellt sich dort die Frage nicht der Vergebung. Wer aber eben das Gefühl hat, dass andere einen schlimm behandelt haben, da wäre es hilfreich, Vergebung zu entwickeln. Denn so lange wir das Gefühl haben, dass andere sich schuldig gegenüber uns gemacht haben, ist dort eine karmische Verbindung und die engt ein. Und dann wäre es gut, daran arbeiten zu können, zu vergeben. Und wenn das allein schwierig ist, in der Psychotherapie sagt man auch, erlittenes Unrecht, was zu posttraumatischen Belastungsstörungen führt, ist dann nicht mehr belastend, wenn der Mensch dem anderen vergeben kann. Wobei das dann oft über das Eingestehen von Wut geht, das Eingestehen davon, dass man einen berechtigten Grund hat, wirklich wütend auf den anderen zu sein, und sich nicht schuldig fühlen braucht dafür, dass man wütend ist und gegenüber dem anderen ärgerlich ist, dass man anerkennt, dass man selbst irgendwo sich schuldig fühlt dafür, obgleich man nicht schuldig ist, dann anerkennen, die Wut hat ihre Gründe, dann anerkennen, „letztlich bin ich doch nicht schuldig“, dann zu erkennen: „Und der andere hat selbst aus eigenem Leid heraus gehandelt. Und dann kann ich ihm vielleicht vergeben und mir selbst auch vergeben.“ Fortsetzung folgt –
Dies ist die 92. Folge der unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines spirituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für die Erläuterung der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterf´ührende Links:
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