Wer Kinder hat, weiß, schon die Babys sind unterschiedlich. Gleiche Eltern, vielleicht sogar, wenn die Eltern nicht umgezogen sind, gleiche Gegebenheiten, schon direkt nach der Geburt sind die Kinder anders. Oft sogar schon in der Schwangerschaft verhalten die sich anders. Also, Menschen kommen mit etwas. Sie sind nicht Tabula Rasa, also leere Tafel, die dann beschriftet wird, man kommt mit etwas. Im Laufe des Lebens machen wir alle möglichen Erfahrungen, tun alles Mögliche, entwickeln uns auf verschiedene Weisen, und dann, mit dem Ende des Lebens, dort nehmen wir dieses mit. Und was nehmen wir dort mit? Wir nehmen einen gewissen Energielevel mit, wir nehmen Fähigkeiten mit, wir nehmen Charakteristika mit, wir nehmen spirituelle Entwicklung mit und wir nehmen neues Karma für das nächste Leben mit. Und dort kann man sich auch wieder überlegen, auf der ersten Ebene kann man überlegen: „Wie viel Zeit und Energie bringe ich hinein in das Vergängliche, im Bewusstsein, ich werde es verlieren?“ Und zum zweiten kann man überlegen: „Angenommen, das mit der Reinkarnation ist so tatsächlich, was tue ich dafür, dass ich, wenn ich diese Erdebene verlasse, irgendwo mich entwickelt habe gegenüber dem Stand, den ich am Ende des letzten Lebens hatte, mit dem ich dieses Leben begonnen hatte? Was tue ich für mein Prana, meine Energie? Was tue ich für meine Charakterentwicklung? Was tue ich für meine spirituelle Entwicklung, meine spirituelle Einsicht? Und was tue ich letztlich, damit die tiefere spirituelle Erfahrung sich entwickeln kann?“ Und vielleicht auch: „Was tue ich auch, um ein gutes Karma zu bekommen?“ Ich bin jetzt kein Befürworter der Belohnungs-, Bestrafungstheorie des Karmas, dagegen hat sich schon Krishna gewandt und Patanjali gewandt und viele andere, auch wenn das in Indien unter dem populären Hinduismus und Buddhismus so die Populärausprägung ist, wenn einem was Schlechtes widerfährt, dann hat man was Schlechtes getan, wenn was Gutes passiert, muss man was Gutes getan haben. Das wäre eine Primitivinterpretation des Karmas. Krishna wendet sich dagegen und er soll vor 5000 Jahren gelebt haben. Patanjali wendet sich dagegen, der soll vor 2500 Jahren gelebt haben. Shankara hat dagegen gesprochen, der ist sicherlich eine historisch verbürgte Person, er hat vor 1200 Jahren gelebt, und die modernen Yogameister auch. Das ist eine Verkürzung. Die Erweiterung des Karmas, das kommt auf uns zu, was uns hilft, spirituell zu wachsen. Da werde ich auch nochmal etwas darauf eingehen. Dennoch, gewisse Früchte der Handlung gehören auch dazu und angenommen, man betrügt jemanden, dann wird das eine gewisse Auswirkung haben. Wenn wir betrügen, dann heißt das, wir handeln aus dem Ego, wir handeln aus der Getrenntheit, wir handeln ohne Mitgefühl. Damit wir lernen, Mitgefühl zu haben und zur Einheit, müssen wir nochmal erfahren, wie das ist, so etwas zu erfahren. Und umgekehrt, wenn man Gutes tut und sich damit identifiziert, dann kann man auch mal erfahren, wie es ist, wenn andere einem etwas Gutes tun. Da könnt ihr jetzt auch überlegen, von diesem Standpunkt – auch wenn der jetzt nicht der wichtigere Teil dieses Vortrages ist – von diesem Standpunkt aus könnt ihr auch überlegen: „Habe ich jetzt einiges getan, was es mir in meinem nächsten Leben einfacher macht, im Sinne von, habe ich Gutes für andere getan oder habe ich häufig gegen ethische Grundsätze verstoßen?“
– Fortsetzung folgt –
Dies ist die 4. Folge der unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines Workshops von Sukadev Bretz in der Yoga Vidya Yogaschule Essen. Für die Erläuterung der Sanskrit Ausdrücke schaue nach im Yoga Wiki. Hier ein paar weitere Links:
Umfangreiche Infos zur Yogalehrer Ausbildung