Der chinesische Philosoph Zhuangzi hat mal gesagt: „Letzte Nacht habe ich geträumt, ich war ein Schmetterling. Jetzt weiß ich nicht, bin ich ein Mensch, der geträumt hat, er war ein Schmetterling, oder bin ich ein Schmetterling, der jetzt träumt, Zhuangzi, der Philosoph zu sein.“ Woher wissen wir das? Nichts davon wissen wir. Jeder Gedanke kann Illusion sein. Nur an einem können wir nicht zweifeln: Es muss jemanden geben, der zweifelt. Und dieser jemand, der zweifelt, muss bewusst sein. Also Bewusstsein, an dem können wir nicht zweifeln. Das gibt es, ansonsten könnte ich jetzt nicht zweifeln. Also, cogito ergo sum, ich denke und zweifle, also bin ich. Es muss jemanden geben, der denkt und zweifelt, sonst würde der Rest nicht kommen. Und daher Chid, ich bin Bewusstsein. Gut, und der nächste, Ananda – der Begriff heißt „Wonne“ – und das ist jetzt nicht mehr logisch zu eruieren, aber letztlich aus Erfahrung heraus. In dem Moment, wo ich mich nicht identifiziere und nicht mehr mich nur als Körper oder Psyche oder Persönlichkeit empfinde, in dem Moment, wo ich mich löse von Körper, Psyche, Persönlichkeit und mich empfinde als unendliches Sein, als reines, unbegrenztes Bewusstsein, in dem Moment ist Ananda da. Also, Mikrokosmos, also nach innen gehen, wäre Loslösung von den Identifikationen vom Begrenzten. Die zweite Weise des Jnana Yoga wäre Sarvam Brahman – Sarvam, alles, ist Brahman. Wir sehen jetzt die Welt in Farben, in Formen, wir sehen die Welt, wir hören die Welt. Sehen und Hören sind so die wichtigsten Sinne, über die wir die Welt wahrnehmen. Dann empfinden wir die Welt, wir spüren die Welt, natürlich, dann riechen und schmecken wir sie noch. Aber auch hier sagt wieder die logische Analyse: Besteht die Welt wirklich aus Sehbarem und Hörbarem und Riech- und Schmeckbarem? Die moderne Wahrnehmungspsychologie sagt, es gibt keine Farben, es gibt nur Schwingungen. Es gibt auch keine Töne, es gibt Klangschwingungen in der Luft. Es gibt keine Gerüche, es gibt kleine Partikel, die in die Nase gehen und als Geruch wahrgenommen werden. Es gibt keinen Geschmack. Geschmack ist eine Mischung aus Geschmackspartikeln, die die Zunge stimulieren, und Geruchspartikel, die in die Nase gehen. Weshalb, wenn man mal die Nase schließt und dann isst, schmeckt das schon ganz anders. Weshalb, wenn man erkältet ist, manchmal die Nahrung nach nichts schmeckt, denn der größte Teil des Geschmackes ist eigentlich Geruch. Das ist eine interessante Sache, um relative Wahrnehmung zu machen. Das könnt ihr vielleicht heute mal machen, mal zwanzig Sekunden lang die Nase schließen. Ihr braucht keine Angst zu haben, dass andere euch komisch angucken. Im Yoga-Ashram sind Menschen gewohnt, dass Menschen mal komische Sachen machen. Und dann könnt ihr mal sehen, wie relativ die Welt ist. Man braucht sich bloß zwei Nasenlöcher zuzuhalten und ihr könntet nicht mehr den Unterschied zwischen Gurke und Apfel herausfinden. Manche erinnern sich vielleicht an den Biologieunterricht, man kann keinen Unterschied zwischen Zwiebel und Apfel herauskriegen, wenn man die Nase schließt. Das fand ich damals ein sehr beeindruckendes Experiment. Einer war vorne, hat die Augen geschlossen bekommen und dann hat jemand ihm die Nase zugehalten und dann sollte er herausfinden, ob das jetzt Zwiebel oder Apfel ist. Das konnte er nicht. Das ist also Geruch, bei geschlossener Nase nicht spürbar. Gut, und dann, wenn wir sehen, und was ist jetzt die Welt? Und hier kann man auch wieder Jnana Yoga mäßig sagen, wenn wir jetzt alles wegnehmen, was wir darüberstülpen über die Welt, nämlich Formen, Farben, Gerüche, Geschmäcker, Hörbares, Fühlbares, Tastbares, wenn wir all das wegnehmen, dann bleibt nur noch Brahman übrig, denn eigentlich ist die Welt nur Brahman. Und hier ist dann Jnana Yoga eine Weise, zu versuchen letztlich, erst mal intellektuell, mit logischen Denken, sich zu lösen von dem Äußeren, dann zu spüren, was ist das, was erfahrbar ist, wenn wir mal von Bildern absehen, Hörbarem absehen und Riechbarem absehen.
– Fortsetzung folgt –
Dies ist die 5. Folge der unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines spirituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für die Erläuterung der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterf´ührende Links:
Umfangreiche Infos zur Yogalehrer Ausbildung