Drei Zettel mit Fragen. Jeder Zettel mit einigen Fragen. Der Zettel von heute Morgen hatte sechs Fragen.
„Wenn ich im Ashram bin, sind mir viele Dinge klar verständlich, ich kümmere mich um mich selbst und alles erscheint einfach. Sobald ich aber wieder in meinem normalen Umfeld bin, reicht oft ein Wort aus und das Gedankenkarussell beginnt wieder von vorne. Gibt es vielleicht ein Schutzschild, welches man aufbauen kann? Mittlerweile weiß ich ja, dass es nur meine Sicht auf die Dinge ist.“
Zunächst mal, man kann sagen, es gibt ein Schutzschild. Das Schutzschild nennt sich Hingabe, Hingabe zu Gott, Hingabe zum Meister. Es ist letztlich diese Bhakti, die dann hilft. Man könnte sagen, das ist wie das Schutzschild im Sinne von, diese Verbundenheit, diese Verbindung, die können wir kultivieren, die können wir pflegen, und die hält auch dann im Alltag. Und immer dann, wenn man dann merkt, „jetzt bin ich wieder raus“, dann kann man sofort wieder drin sein, sich verbinden mit Gott. Und jeden Morgen sich verbinden, jeden Abend sich verbinden. Das zweite ist, Jnana Yoga im Sinne, sich nicht so sehr identifizieren. Bist du das, die die Fragen gestellt hat? Ich hoffe, es ist ok. Zweite Möglichkeit wäre, irgendwo bewusst sein, du hast es ja schon oft genug erlebt, du kannst ein bisschen darüber lächeln über das Spiel des Geistes. Du kannst schon vorhersehen, „es wird vermutlich wieder passieren“. Wenn du erwarten würdest, „das darf jetzt nicht passieren, diesmal nicht“. Wenn du es schon so häufig erlebt hast, dass es eben anders ist, dann kannst du erwarten, „es wird auch wieder so sein, aber es muss trotzdem nicht so sein“. Gedanken werden da sein, aber du kannst darüber lächeln: „Ah, da sind wieder die Gedanken. Schön, dass ihr da seid.“ Und dann weißt du: „Ah, und jetzt fangen die an, sich zu kreisen und zu ärgern.“ Ich weiß nicht, ob das bei dir mehr Ärger ist oder mehr Ängste oder mehr Selbstzweifel oder alles drei zusammen oder eine wunderbare Mischung. Dann kannst du sagen: „Ah, da gibt es in mir einen Anteil, der ärgert sich, der hat auch seinen Grund. Es gibt einen Anteil, der ängstigt sich, hat auch einen Grund. Es gibt einen Anteil, der zweifelt an sich selbst, der hat auch einen Grund. Und ich selbst bin das unsterbliche Selbst.“ Und dann kannst du weiter gucken, wie du praktisch damit umgehst. Man könnte sagen, das eine ist vom Bhakti her, im Sinne von, Schutzschild ist Verbindung mit Gott oder mit dem Meister. Vom Raja Yoga her, siehe alles, was dann kommt, so als Anteile in dir, die es irgendwie wohl meinen und du bist dann derjenige, der so ein bisschen gelöst ist von diesen Anteilen. Du weißt, vom Jnana Yoga her, auch wenn du es in dem Moment vielleicht vergisst, aber du weißt es trotzdem: „Aham Brahmasmi.“
„Im Buch „Swami Sivananda, ein moderner Heiliger“, habe ich von seiner Hingabe und seiner Fähigkeit, jedem und allem zu dienen, gelesen. Das hat mich sehr beeindruckt. Wie ist das im Alltag umzusetzen in einer Gesellschaft, die vom Geldschachern geprägt ist? Wie bekommt man aus dem Kopf, sich ausgenutzt zu fühlen?“
Das ist überall so eine gewisse Sache. Natürlich, man kann sagen, einfacher ist es natürlich, wenn man in einer Ashram-Umgebung wohnt. Da gibt es zwar auch Leute, die fühlen sich ausgenutzt, aber man macht eigentlich nur Dienst. Da macht halt einer vielleicht ein bisschen mehr, weil er mehr Prana und Energie und Inspiration hat, und der andere macht vielleicht etwas weniger, weil er weniger Prana, weniger Inspiration oder mehr Ego hat oder vielleicht sich um seine Psyche mehr kümmern muss, weil er, bevor er in den Ashram gekommen ist, vielleicht so ein Burnout oder sonst was gehabt hat, und da gilt es, da erst mal nicht hineinzugehen. Es fällt vielleicht auch bis zu einem gewissen Grad leichter, wenn man einen Job hat, der mehr dienend ist und weniger in einem Job ist, wo man in einem gewinnzielorientierten Unternehmen ist, wo man weiß: „Was ich mehr mache, das kriegt mein Chef – wenn es ein Familienunternehmen ist – oder es kriegen Aktionäre oder irgendwelche Headshfonds, die Geld investieren.“ Dann wird man schon überlegen: „Was heißt jetzt dienen?“ Angenommen, man ist jetzt in einem gewinnzielorientierten Unternehmen, dann heißt dienen zum einen eben, das tun, was notwendig ist, für den Job. Und dabei auch dafür sorgen, dass man ausreichend fair bezahlt wird, denn das Geld, das man dann kriegt, das kann man dann ja gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung stellen. Da kann man dann sagen, dann heißt uneigennützig dienen auch, Geld zu bekommen, das man braucht für den Unterhalt des Körpers und das man braucht für andere. Dann aber auch, selbst in einem gewinnzielorientierten Job, kann man ja auch trotzdem dienen, im Sinne von, den Kollegen, indem man ihnen ein freundliches Wort gibt. Vielleicht nicht, indem man jetzt mehr Arbeit macht als alle anderen und dabei weniger bezahlt wird, denn in einem gewinnzielorientierten Unternehmen ist das nicht uneigennütziges Dienen, sondern sich ausnutzen lassen, vielleicht auch Dummheit. Mit einer Ausnahme, wenn man das andere gut wissen lässt und auf diese Weise Prämien kriegt und befördert wird, dann kann es eine Hilfe sein, um wieder mehr Gutes bewirken zu können. Aber nicht jetzt den Aktionären allein dienen, ohne dass man selbst etwas davon hat und ohne dass man etwas machen kann zum Wohl anderer. Man kann sagen, beruflicher Aufstieg – macht man auch zum Wohl anderer.
Fortsetzung folgt –
Dies ist die 88. Folge der unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines spirituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für die Erläuterung der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterf´ührende Links:
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