Die tiefe Bedeutung des Hatha Yoga

Kundalini Yoga, Teil 7

Wir sind in der Hatha Yoga Pradipika, im 1. Kapitel. Im 3. Vers sagt Swatmarama:

„Jenen, die sich in der Dunkelheit streitender Weltanschauungen fortbewegen, unfähig, Raja Yoga zu erlangen, bietet der mitleidsvolle Swatmarama Yogi das Licht von Hatha Vidya an.“

Was heißt nochmal Vidya? Wissen, Weisheit, Wissenschaft. Und hier sagt Swatmarama letztlich, dass Hatha Yoga etwas Weltanschauungsneutrales ist oder mindestens Weltanschauungsübergreifendes ist. Auch im alten Indien gab es unterschiedliche Weltanschauungen und auch unterschiedliche Religionen. Indien ist vermutlich das Land, das bis heute die größte Bandbreite von Religiosität hat. Es gibt dort Jainismus, es gibt Buddhismus, es gibt Hinduismus, es gibt Islam, seit dem ersten Jahrhundert n. Chr. gibt es dort Christen, die so genannten Thomas-Christen nestorianischen Christen. Es gibt dort die älteste, noch heute existierende Synagoge in Kerala. Also, es gab schon seit ein paar hundert Jahren v. Chr. Juden dort. Es gab dort die Pasis, die ja ursprünglich aus Persien sind, die gibt es heute fast nur noch in Indien, weil die woanders überall verfolgt wurden. Und auch der Hinduismus selbst ist ja nicht ein einheitliches Gebilde. Ein deutscher Religionswissenschaftler hat auch mal gesagt: „Hinduismus ist der Sammelname für alle nicht doktrinären Religionen Indiens.“ Doktrinär ist jetzt nichts Schlechtes, sondern doktrinär heißt, da gibt es eine konkrete Aussage, was ein Gläubiger zu glauben hat. Im Buddhismus, da gibt es den Palikanon und der ist relativ eindeutig, daran hat man als Buddhist zu glauben und man kann zum Buddhismus übertreten, indem man Zuflucht sucht, und dann ist man Buddhist. Im Buddhismus gibt es dann zwar noch ein paar Unterteilungen, aber es gibt schon konkrete Mitgliedschaft in einer buddhistischen Gemeinschaft. Währenddessen im Hinduismus ist das anders. Eigentlich klassisch kann man weder zum Hinduismus konvertieren, noch ist das notwendig. Man kann praktizieren und dann gibt es die unterschiedlichsten Weltanschauungen dort. Es gibt atheistische Strömungen im Hinduismus. Tatsächlich, man kann Hindu sein und nicht an Gott glauben. Im Buddhismus klappt das auch, man kann auch Buddhist sein, ohne an Gott zu glauben. Aber es gibt atheistische Richtungen, es gibt theistische Richtungen, also wo man an einen persönlichen Gott glaubt, es gibt pantheistische Richtungen, wenn man das jetzt in westlicher Theologie fasst oder Religionswissenschaft. Also solche, die sagen, hinter allem steckt Gott. Es gibt solche, die sind polytheistisch, gehen davon aus, es gibt verschiedene Götter. Es gibt animistisch, die sagen, es gibt zwar keine echten Götter, aber die ganze Natur ist irgendwie belebt, und dualistisch, non-dualistisch und so viele verschiedene Strömungen, sodass man eigentlich sagen kann, es gibt keinen echten Hinduismus, weshalb es ursprünglich ja auch keinen Ausdruck für Hinduismus gab. Hinduismus ist ja ein Ausdruck aus der westlichen Religionswissenschaft. Und in Indien wurden – im Unterschied zu Europa – Glaubensfragen nicht mit dem Schwert ausgefochten und entschieden, sondern über das – zum Teil – Wort und da gab es umfangreichste Streitgespräche. Man findet in den Schriften immer wieder, wo dann Gelehrte miteinander diskutieren und disputieren, und letztlich auch über Erfahrung. Jesus hat ja auch gesagt, „an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“. Leider haben die Nachfolger diesen Satz nicht berücksichtigt, sondern haben gesagt, da muss man irgendwo, die Reinheit der Lehre muss gewährleistet werden und die Häretiker müssen ausgerottet werden, so kann man am besten die Lehre dort gewährleisten. Das war natürlich auch nicht immer so, aber es gibt eine gewisse Tendenz dazu. Und in Indien war es so mehr, „an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“.

– Fortsetzung folgt –

Unbearbeitete Niederschrift eines  Satsang-Vortrags mit Sukadev Bretz.  nach Meditation und Mantra-Singen bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Weiterführende Links:

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