Unser jetziges Bewusstsein kann etwas wacher sein, manche sind jetzt vielleicht gerade sehr wach, manche so halb am Dösen, manche dreiviertel. Und paradoxerweise, wenn wir so die Wachheit nehmen, und hier ist die Anzahl von anderen Vrittis. Angenommen, wir sind wenig wach. Wie viele andere Vrittis, Gedanken, haben wir, außer dem Nidra, der Schläfrigkeit, an sich? Wenig. Angenommen, wir werden jetzt etwas wacher. Wie viele Vrittis haben wir dann? Mehr. Angenommen, wir sind noch wacher? Noch mehr. Angenommen, wir sind noch wacher? Langsam wird es nicht mehr. Und dann sind wir wirklich ganz aufmerksam. Wie viele Vrittis haben wir dann? Weniger, eine irgendwann, und irgendwann keine. Und hier ist Kaivalya. Große Wachheit, kein Gedanke, noch nicht mal Nidra. Es gilt also, den Gedanken von Nidra zu überwinden. Und den Nidra-Gedanken überwinden wir zum einen auch, indem wir die anderen Vrittis zur Ruhe bringen, aber dabei die Wachheit des Geistes auch fördern. Das ist ja die große Schwierigkeit in der Meditation, wenn man jetzt nur die Anzahl der anderen Vrittis reduziert, dann kann das in zwei Richtungen gehen. Nämlich in die Schläfrigkeit oder in die Wachheit. Preisfrage, was passiert häufiger? Das Schöne ist allerdings auch, es kann dann auch sich von hier plötzlich hierher katapultieren. Das habt ihr vielleicht auch schon mal bemerkt. Irgendwo, ihr bemüht euch um Konzentration. Nach einer Weile merkt ihr, ihr kommt in so eine Art Döszustand, Halbbewusstheit, irgendwo so ein paar Tagträume parallel, es ist irgendwo angenehm wohlig, ihr wisst, es ist nicht wirklich Meditation, aber ihr kriegt auch den Geist nicht unter Kontrolle, ihr überlegt, „muss ich jetzt aufhören, die Augen öffnen“, ihr kriegt es noch ein paar Mal hin, den Geist ein bisschen konzentrierter und wacher zu halten, dann irgendwann gebt ihr es auf. Und dann wiederholt ihr noch so im Halbbewusstheitszustand das Mantra, wenigstens noch beim Ein- und bei Ausatmen, während zwischendurch so dieses angenehm wohlige Dösgefühl, vielleicht mit ein paar Bildern parallel, dabei ist. Und dann plötzlich ist man wach. Und plötzlich erfährt man erweiterten Bewusstseinszustand. Oder Knie tun weh oder man hat plötzlich das „Om“ von weit weg gehört. Was auch immer. Also, Konzept des Raja Yoga ist, wir wollen wach werden. Und um dorthin zu kommen, ist, gleichzeitig Gedanken reduzieren, gleichzeitig bewusster dort werden. Und Patanjali sagt, wenn wir diese Yamas und die Niyamas üben, das hilft uns, unseren Geist konzentrierter zu halten. Und das hilft uns auch, andere Bewusstseinszustände hervorzurufen. Und umgekehrt, wenn wir dann in höheren Bewusstseinszuständen sind, dann fällt auch all das leichter. Es ist also so eine Art Engelskreislauf. Wir bemühen uns, unseren Geist mehr in Ahimsa zu bringen, und das beinhaltet einiges an Kontrolle, Mitgefühl zu entwickeln, andere zu verstehen, auch uns selbst zu verstehen. Ahimsa heißt ja nicht nur Mitgefühl mit anderen, sondern auch Mitgefühl mit uns selbst. Das beinhaltet eine große Bewusstheit auch, denn das Normale wäre, irgendwas ärgert einen, also, erstens, es ärgert einen, zweitens schaut man, man kann sagen, die einfache Weise wäre dann loszuschreien oder loszuschlagen oder loszuknurren, was Hunde und Katzen machen. Eine fiese Methode wäre, das machen dann hauptsächlich Menschen, „wie kann man den anderen vernichten“, so hintenherum. Ahimsa hieße, zu schauen, den Menschen zu verstehen und dann geschickt damit umzugehen. Das bedarf viel Achtsamkeit.
Fortsetzung folgt –
Dies ist die 57. Folge der unbearbeiteten Niederschrift eines Mitschnitts eines spirituellen Retreats mit Sukadev Bretz im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für die Erläuterung der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterf´ührende Links:
- Seminare mit Sukadev
- Seminare zum Thema Raja Yoga und Positives Denken
- Spirituelle Retreats